Wenn Sie keine Lust auf die Dankesmeditation haben, die ich Ihnen vor ein paar Tagen vorstellte, weil Sie mit sich selbst zufrieden sind und nur lernen möchten, sich besser zu konzentrieren, sollten Sie einmal die Achtsamkeitsmeditation ausprobieren. Derzeit boomt das Geschäft mit dem Geist in den USA und es ist ein gängiges Ritual in Unternehmen geworden, Meditationskurse für Mitarbeiter anzubieten. Langsam erobert die Achtsamkeitswelle auch Deutschland. Am Ende dieses Artikels gebe ich Ihnen fünf Übungen an die Hand, um es selbst einmal auszuprobieren.
Die Achtsamkeitswelle greift um sich
Zahlreiche Unternehmen wie Google, der Rüstungskonzern BAE Systems, SAP und Linked In machen es vor und buchen Meditationsprofis wie den chinesischen Chade-Meng Tan, um sich Vorträge über Achtsamkeit anzuhören. „Mindfulness“ heißt der Trend auf Englisch. Chade-Meng Tan war Google-Ingenieur der ersten Stunde, arbeitet mittlerweile aber nur noch in Teilzeit bei Google und hat in die Personalabteilung gewechselt. Inzwischen hat Meng (wie er sich selbst nennt und genannt werden möchte) sein eigenes Meditations-Institut gegründet und veröffentlichte 2007 das Buch „Search Inside Yourself“ (deutscher Untertitel: „Das etwas andere Glücks-Coaching“), in dem er beschreibt, wie es durch Meditation gelingt, die eigene Aufmerksamkeit zu verbessern, unerwünschte Emotionen besser zu kontrollieren und auf andere Menschen einfühlsamer zu reagieren. So wie in seinem Buch richtet sich Meng in seinen Meditationskursen an Ingenieure und andere Berufstätige. Dabei versteht er es, auf pragmatische Weise jedem Arbeitnehmer ein paar essentielle Weisheiten zu vermitteln, ohne jedoch esoterisch zu wirken. Wo möglich, untermauert er seine Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Fakten. Das Ziel der Meditation ist es, den „Geist in einen Zustand zu bringen, in dem er ruhig und konzentriert ist. Und zwar auf Abruf. In schwierigen Meetings“, erklärt Meng. Aussagen wie diese machen das Meditieren vor allem für Führungskräfte salonfähig.
So funktioniert die Achtsamkeitsmeditation
Doch wie funktioniert die Achtsamkeitsmeditation? Bei der Achtsamkeitsmeditation werden die Geistesinhalte beobachtet und nicht bewusst gesteuert, das heißt der Übende betrachtet seinen Körper, seine Empfindungen, Emotionen sowie Bild- und Wortgedanken aus der Beobachterrolle. Im Yoga unterscheidet man zwischen den folgenden Formen der Achtsamkeitsmeditation: die Technik des Benennens, Atembeobachtung, Reine Achtsamkeit, die Bodyscan-Meditation sowie die einfache Mantra-Meditation, welche eine Kombination aus Achtsamkeitsmeditation und Mantra darstellt. Die folgenden fünf Übungen, die ich für Sie ausgesucht habe, stellen einen Auszug dieser verschiedenen Formen dar. Es kann sein, dass es Ihnen anfangs nicht leicht fallen wird, still zu sitzen, bewusst zu atmen und an nichts denken. Es bedarf schon ein wenig Übung und Disziplin. Aber es lohnt sich. Probieren Sie es aus!
Fünf Übungen zum Ausprobieren
Die Dauer der ersten Übung beträgt 10 bis 25 Minuten. Bei dieser Übung legen Sie sich bequem mit einer Matte auf den Boden und schließen die Augen. Sie können sich auch gerne mit einer Wolldecke zudecken. Sie sollen nicht frieren. Bündeln Sie nun Ihre Aufmerksamkeit wie den Strahl einer Taschenlampe und beleuchten Sie Ihren Körper von Kopf bis Fuß. Wenn Sie möchten, können Sie auch mit Ihrer Aufmerksamkeit zwischen den verschiedenen Körperteilen hin- und herspringen (vom Scheitel zur Fußsohle o.ä.).
Die Dauer der zweiten Übung ist individuell. Hier geht es ums bewusste Atmen. Holen Sie in Ihrem Rhythmus Luft. Atmen Sie ein und versuchen Sie, sich beim Ausatmen darauf zu konzentrieren, wie die Luft aus Ihrer Lunge strömt. Je öfter Sie die Übung machen, desto länger sollte die Dauer des Ausatmens werden. Diese Übung hilft auch, sich auf eine Sache besser konzentrieren zu können.
Als nächstes konzentrieren Sie sich auf Gegenstände und Geräusche. Dabei ist es egal, welche Haltung (sitzend, stehend, liegend) Sie einnehmen. Achten Sie zuerst auf drei Gegenstände (z.B. Stuhl, Tisch und Pflanze) und das je drei Sekunden lang. Anschließend konzentrieren Sie sich auf drei Geräusche. Danach tasten Sie drei Gegenstände mit Ihren Händen ab. Wiederholen Sie anschließend die Übung mit zwei, dann mit einem Gegenstand (sowie mit zwei und einem Geräusch). Diese Übung dauert nicht länger als zwei Minuten und hilft Ihnen aus anhaltenden sorgenvollen Gedankenkreisen auszubrechen.
Bei der vierten Übung geht es darum, 8 Minuten oder länger möglichst still sitzen zu bleiben. Dazu setzen Sie sich auf einen Stuhl und richten Ihren Blick auf einen Punkt an der Wand oder am Boden vor Ihnen, rund anderthalb Meter entfernt. Die Augen sind dabei halb geschlossen und Sie spüren in sich hinein. Bewegen Sie sich möglichst wenig, auch wenn es Ihnen unangenehm erscheinen oder die Glieder leicht schmerzen sollten.
Die letzte Übung heißt „Alles im Fluss“. Dazu betrachten Sie ca. 10 Minuten lang den Boden, während Sie sich vorstellen, ein fließendes Gewässer zu betrachten. Dann stellen Sie sich vor, dass kleine weiße Papierboote an Ihnen vorbei ziehen würden. Lassen Sie einen Gedanken kommen und geben Sie ihm einen Namen, benennen Sie dann das Boot vor Ihnen nach ihm und sehen Sie ihm zu, wie es langsam davon zieht. Wiederholen Sie diese Übung mit weiteren Gedanken und sehen Sie einem nach dem anderen zu, wie er hinweg fließt.
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