Wie Fitness-Studios mit neuer Technik den Spaßfaktor erhöhen

Köln – Man müsste mal wieder mehr Sport machen. Mit dem Satz fängt es meistens an. Als nächstes folgt dann die Anmeldung im Fitnessstudio, das erste Probetraining, die ersten Erfolge.

Doch dann kommt was dazwischen: Die Arbeit, die Familie, die neueste Folge der Lieblingsserie. Und jetzt war ich schon so lange nicht, lohnt das überhaupt noch?

Dieses Hin und Her aus Anfangselan und Alltagsfaulheit nervt nicht nur Freizeitsportler, sondern auch die Fitness-Branche. Elf Millionen Mitglieder haben Studios in Deutschland. Allerdings geht längst nicht jedes dieser Mitglieder auch tatsächlich ins Studio – und kündigt deshalb auch irgendwann den Vertrag. «Die Langfrist-Bindung von Kunden ist eines der ganz großen Probleme der Studios», sagt Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule.

Mit Digitalisierung gegen den Schweinehund

Doch ein Rundgang über die
Kölner Fitnessmesse Fibo (4. bis 7. April) zeigt: Die Branche will dem inneren Schweinehund ihrer Kunden nicht kampflos das Feld räumen. Um die Motivation der Mitglieder auch auf lange Sicht hoch zu halten, lässt man sich einiges einfallen. Und meistens steht dabei die Digitalisierung im Mittelpunkt.

Denn das Problem ist: Den einen Kunden gibt es nicht. Auch das zeigt die Fibo mehr als deutlich – mit ihren Bodybuilder-Hallen voller gestählter Körper auf der einen Seite, und mit dem Wellness-Forum und seinen Massageliegen am buchstäblich anderen Ende der Messe.

«Es gibt hier ganz viele kleine, neue Ideen für ganz vielfältige Zielgruppen», sagt Fibo-Chefin Silke Frank. «Die Herausforderung für die Branche ist, die Lebenswelten der verschiedenen Kunden abzudecken.» Denn zwischen den Extremen von Entspannung und Exzess gibt es die Masse der Hobby-Athleten, die nur ein bisschen trainieren wollen.

Und genau da fängt der Ärger an: «Die Leute steigen auf das Gerät, drücken «Start» und trainieren dann irgendwie», sagt Benjamin Krause. «Das ist wahnsinnig ineffizient.» Krause ist Produktmanager bei Matrix – einer von vielen Herstellern, die auf der Fibo neue Fitnessgeräte für Studios zeigen.

Die Folge dieses ziellosen Trainings: Erfolge bleiben aus, die Motivation sinkt – und der Kunde geht. Deshalb setzt Matrix auf digitale Individualisierung: Trainer im Fitnessstudio erstellen Trainingspläne für ihre Kunden per Smartphone oder Tablet und schicken sie an Laufband und Co. – der Kunde drückt weiter nur «Start». Allerdings ist das Gerät jetzt für ihn richtig eingestellt.

Alltagshelfer oder Geräte mit Spaßfaktor

Ähnliche Systeme anderer Hersteller gibt es schon eine Weile. Zwei neue Ideen kommen hinzu. Erstens der Alltag: Freizeitsportler, die mit smarten Armbändern oder Uhren ihre Bewegung im Tagesverlauf messen, können diese in den Trainingsplan integrieren. Wer die Treppen ins Büro genommen hat, spart sich ein paar Meter auf dem Laufband – oder setzt noch einen drauf.

Zweitens öffnet die digitale Vernetzung und Messung auch der sogenannten Gamification Tür und Tor – spielerischen Elementen also, die Motivation weiter steigern sollen. Das beginnt bei simplen Wettkampf-Elementen, die es bei vielen Geräteherstellern gibt: Wer macht die meisten Kilometer?

Doch Gamification geht noch viel weiter: Videoscreens etwa, mit denen Fitness-Radler Alpenpässe überqueren, sind in vielen Studios schon Alltag. Doch auf der Fibo gibt es zum Beispiel auch Viro Fit zu sehen – Virtual Reality per Datenbrille, beim Radeln im Fitnessstudio.

«Gerade diese Sorte Training kann langweilig sein», erzählt Marcin Kotewicz, CEO des polnischen Unternehmens. «Und hier kommen wir ins Spiel.» Sein Kollege hinter der Datenbrille rast derweil mit einem virtuellen Motorrad durch ein ebenso virtuelles Norwegen, weicht Hindernissen aus – und muss dabei permanent selber strampeln.

Virtueller Erlebnissport

Eine virtuelle Umgebung für Freizeitsportler schafft auch das Schweizer Startup Sphery mit seinem Exercube. Allerdings kommt hier keine Datenbrille zum Einsatz, sondern ein System aus Projektoren und Tracking-Armbändern. Damit kann sich der Kunde in einem Würfel frei bewegen – und ist dabei von einer Science-Fiction-Unterwasserwelt umgeben.

Durch die rast er, während er in immer schnellerer Folge immer komplexere Übungen absolviert. Das ist nicht nur für den Körper ein Workout, auch der Kopf kommt ordentlich ins Rauchen. Allerdings geht es Sphery-Chefin und -Mitgründerin Anna Lisa Martin-Niedecken nicht nur um knallharte Effizienz für Leistungssportler. Wenn die dazugehörige Forschung abgeschlossen ist, sollen auch Reha-Patienten in den Genuss der Technik kommen, nach einem Schlaganfall etwa.

Und Spaß soll das Kopf- und Körper-Training auch noch machen, sagt Martin-Niedecken. Diese «Playfulness», wie sie es nennt, sei für den Erfolg sogar besonders wichtig – auch mit Blick auf demotivierte Freizeitsportler. «Für uns ist es ein Weg die Dropout-Raten zu verringern – zum Beispiel, indem wir die Digital Natives beim Gaming abholen.»

Spaß als bester Rückkehr-Garant – kann es so einfach sein? Offenbar schon: Denn sogar das EMS-Training mit seinen Anzügen und Elektroimpulsen, jener Hort der gnadenlosen Effizienz mit echten Erfolgen nach nur 20 Minuten Training, geht inzwischen Richtung Erlebnissport. So zeigt der Dorstener Hersteller Xbody in Köln XBeat – erlebnisorientiertes Gruppentraining im EMS-Stil, komplett mit Licht und Musik. Offenbar wollen auch Freizeitsportler mit wenig Freizeit Spaß haben.

Genau richtig so, sagt Ingo Froböse – und verlangt nach mehr. «Oft ist unser Verständnis von Training noch zu funktional», sagt er. Wichtig sei vielen nur das Ergebnis, nicht das Erlebnis. «Dabei muss das die Sinne ansprechen, das muss über Emotion gehen.» Und da ist es mit dem Training wie mit der Liebe: Treue ist eine Frage des Gefühls.

Fotocredits: Ina Fassbender,Ina Fassbender,Ina Fassbender,Ina Fassbender,Ina Fassbender,Ina Fassbender
(dpa/tmn)

(dpa)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert