Anorexie-App für bessere Kontrolle durch Protokolle

Ärzte möchten jugendliche Magersüchtige dazu bewegen, ihren Krankheitsverlauf über eine Tagebuch-App zu protokollieren. Womöglich fällt es Heranwachsenden leichter, intime Vorgänge einer App anzuvertrauen, als einer menschlichen Bezugsperson. Forscher der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz wollen mit diesem Grundgedanken die Smartphone-App "Jourvie Research" unter Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren verteilen, die unter der Essstörung Anorexia nervosa leiden.

Die Mädchen können über die App ihr Essverhalten aufzeichnen und Angaben zu damit verbundenen Gefühlen machen. "Mit Hilfe der Jourvie-App ist es möglich, eingenommene Mahlzeiten und die damit verbundenen Gefühle auf praktische und moderne Art zu protokollieren: Das Handy ist ohnehin immer dabei und niemand kann sehen, welche Funktion der Nutzer gerade verwendet", sagt Michael Huss, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz.

Im Gegenzug reagiert die Anwendung mit Tipps, zum Beispiel beim Auftreten einer psychischen Krise. Laut Einschätzung des Robert-Koch-Instituts sind deutschlandweit etwa 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche von Ess-Störungen betroffen. In vielen Fällen ist eine unmittelbare Therapie problematisch.

Die regelmäßige Nutzung der Protokoll-App würde es den Wissenschaftlern erleichtern, bestimmte Denkmuster und wiederkehrende Verhaltensmuster im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme zu identifizieren. Schließlich ist die App-Nutzung nur eine begleitende Strategie, die als Ergänzung zur eigentlichen Therapie zum Einsatz kommt. Sie soll mögliche Versorgungslücken füllen. "In der Therapie besprochene Problemlösungen sind in einer Krise schnell vergessen. Was wäre, wenn eine Smartphone-App die Patienten genau dann an ihre Strategien erinnert?", so der Mainzer Diplom-Psychologe David Kolar, der die Studie konzipiert hat.

Die Wirksamkeit dieser Behandlungsform wird aktuell in einer Studie überprüft. An der SELTIAN-Studie können aktuell noch interessierte Betroffene teilnehmen, die in den Regionen Mainz, Berlin oder Neuwied leben (E-Mail an david.kolar@unimedizin-mainz.de).

Fotocredits: Bayer Aspirin Sozialpreis / Bayer Stiftung

(dpa)

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