Dicke Kinder werden in vielen Fällen dicke Erwachsene. Die erlernten Ess- und Lebensgewohnheiten springen auf die nächste Generation über, bis schließlich der größte Teil der Bevölkerung übergewichtig ist. Ein Horrorszenario für Politiker, Ärzte, Krankenkassen und natürlich für die Betroffenen selbst.
Dabei ist in der Öffentlichkeit ganz klar die Tendenz erkennbar, allein die Übergewichtigen für die Misere verantwortlich zu machen. Sicher, jeder muss die Verantwortung für seinen Körper selbst tragen, doch welche Rolle spielt die Nahrungsmittelindustrie? Diese Frage stellt seit geraumer Zeit vor allem die Organisation „Foodwatch“ und eine Antwort hat sie schon: Eine nicht unbeträchtliche! Man berichtet von Etikettenschwindel und Verbrauchertäuschung. Skandal! Die Politik müsste einschreiten. Tut sie auch, und zwar in Form von Horst Seehofer. Er ist seit 2005 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. In dieser Rolle muss er sich vor allem um eines kümmern: Um den Schutz der Industrie vor bösen Verbraucherschutzorganisationen, die im Interesse der Bürger und Bürgerinnen operieren und dabei Lebensmittellügen aufdecken, die nicht von 0815-Betrieben ausgehen, sondern von den Großen. Den ganz Großen.
Um seiner Aufgabe gerecht zu werden veranlasste Herr Seehofer im Oktober 2007, dass das Ampelsystem (Vorbild: Großbritannien), also die Kennzeichnung von Lebensmitteln nach ihren Salz-, Zucker und Fettgehalten als „gesund“ (grün), „gerade noch ok“ (gelb) und „nur selten verzehren“ (rot), in Deutschland nicht eingeführt wird. Grund: Die Industrie könnte Schaden nehmen, und mit „der Industrie“ sind hier vor allem Campina, Nestlé, Unilever und die anderen dicken Fische gemeint, die uns Tag für Tag im Supermarkt hinter einer Vielzahl von Produkten begegnen. Einer neuesten Studie zufolge kennzeichnen die nämlich gern einmal besonders kritische Produkte als „Wellness“, „Pur“, „Natur“, um diese besser verkaufen zu können.
Übrigens: Wer genau die Eckpunkte für die jetzt geltende Regelung der Kennzeichnung getroffen hat? Dieser Satz sagt alles: „Sie sind das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Ernährung und dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Die Beteiligung von Verbrauchern war nicht beabsichtigt.“ Für mehr Informationen über die Eckpunkte: Foodwatch Pressearchiv
Was für eine dreiste Volksverarschung! Man kann nur hoffen, dass die Verbraucher auch ohne „Ampel“ im Lauf der Zeit lernen, was dick macht und was nicht. Genug Infos dazu gibts ja eigentlich schon lange.
Die Hoffnung habe ich auch, aber es ist eben nur ein Wunsch und hat nichts mit der Realität zu tun. Kinder erlernen das Ess- und Konsumverhalten i.d.R. von ihren Eltern, wenn die unwissend sind, überträgt sich das. Und seit neuerdings auch noch Schulen von Lebensmittelkonzernen unterstützt werden (siehe jüngste Medienberichte), sind Gewichts-Entwicklungen wie in den USA keine Utopie sondern trauriger Alltag.